Die Rollheimer

Mauerfoto: Die Rollheimer aus

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An der Köthener Straße direkt am Potsdamer Platz stand einst das Haus Vaterland, ein großer Vergnügungstempel, der insbesondere durch die "Goldenen Zwanziger" Jahre in Berlin zu einiger Bekanntheit kam. Nunmehr befindet sich hier die Wagenburg der so genannten Rollheimer. Die Rollheimer sind eine Gruppe von Menschen, die in alten ausgedienten Bussen, Lastwagen etc. wohnen und versuchen inmitten der Großstadt ein "anderes Leben" zu führen.

Fotografiert am:

29.5.1987

Ort:

Köthener Straße

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Wenn ich heutzutage am Potsdamer Platz bin und daran denke, wie es hier zu Mauerzeiten ausgesehen hat, dann kommt mir das wie ein komischer Traum vor. Wie viele Filmausschnitte über die „Goldenen Zwanziger Jahre“ in Berlin hatte ich im Fernsehen gesehen. Straßen, die überquollen vor Menschen und Autos oder Vergnügungstempel in denen Wasserfälle zur Inneneinrichtung gehörten und Frauen den Cancan tanzten. Eines dieser Etablissements war das „Haus Vaterland“, das im Zweiten Weltkrieg zur Ruine gebombt noch bis in die siebziger Jahre direkt an der Mauer stand. In meinen frühesten Kindheitserinnerungen spielt dieser riesige schwarze ausgebombte Bau noch eine Rolle. 1976 ist diese Ruine abgerissen worden und auf der daraus entstehenden Brachfläche siedelten sich die so genannten Rollheimer an. Das waren Typen, die irgendwie „städtische Aussteiger“ gewesen sind. Sie hatten sich diverse Lastwagen oder eben diesen ehemaligen Bus der Berliner Verkehrsbetriebe zu einer Art Dorfgemeinschaft zusammengestellt und wohnten nun darin. So im Rückblick hat die gesamte Szenerie hohen Symbolwert für das gehabt, was Berlin im Kern in dieser Zeit ausmachte. Da war dieses unglaublich riesige Brachgelände mitten im Herzen der Stadt. Es lag völlig nutzlos da und Berlin fehlte – offensichtlich noch immer unter Mauerbauschock stehend – die inspirierende Kraft, mit diesem Gelände etwas anzufangen. So siedelte sich dort also ein Gruppe von autonom-alternativen Aussteigern an, die beschlossen hatten, in Berlin anders als die „Spießer“ leben zu wollen. Und auch für sie gab es seinerzeit Platz in der Stadt - anders als heute, wie die jahrelangen Querelen um den Stellplatz der Rollheimer in den neunziger Jahren zeigen sollten.
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