Das Projekt
Zwischen 1984 und 1987 umrundet Matthias Hoffmann den Westteil Berlins.
Seine 24 Touren führen ihn etwa 160 km immer an der Mauer entlang. Aus seinem Interesse an der Schwarz-Weiß-Fotografie dient ihm die Berliner Mauer ursprünglich als Thema für ein Fotoprojekt. Die frühen Aufnahmen entstehen entlang der Ebertstraße zwischen Reichstag und Potsdamer Platz sowie in Kreuzberg an der Oberbaumbrücke. Zu diesem Zeitpunkt sind die Fotografien eher eine künstlerische Auseinandersetzung mit der Berliner Mauer.
Im Laufe der Zeit wächst bei ihm das Interesse an einer dokumentarischen Fotoreihe, die auch zur persönlichen Auseinandersetzung mit der alltäglichen Existenz der Mauer im Stadtbild Berlins und im Leben der (West-) Berliner wird. Dabei entstehen über 450 eindrucksvolle Bilddokumente über die Teilung Deutschlands und deren gelebte Normalität.
Da weiden Pferde in einer kleinen Koppel direkt an der innerstädtischen Mauer, züchten Kleingärtner Tomaten im Mauerstreifen, nutzen fußballspielende Kinder die einzelnen Betonsegmente als Torpfostenmarkierung.
Die Bilder dokumentieren gleichermaßen sehr Menschliches. Autobremsspuren an der Stresemannstraße sind stumme Zeugen des Selbstmordes eines Mannes, der aus Liebeskummer mit seinem Auto gegen die Mauer rast. Zwei Rentnerinnen kehren nach ihrem Tagesausflug nach West-Berlin am Grenzübergang Sonnenallee zurück in den anderen Teil der Stadt. Am Grenzübergang Heerstraße schiebt eine Grenzpolizistin eine alte Frau im Rollstuhl über die Grenze von Ost nach West.
Aber auch lustige Geschichten erzählen die Fotos. Da ist der Grenzsoldat, der durch eine kleine Tür in der Mauer schaut und diese durch die zufällige Anwesenheit des Fotografen auf der anderen Seite erschrocken sofort wieder schließt. Oder der betrunkene Kleingärtner, der sich im Zuge von Baumaßnahmen an der Mauer mit den Grenzsoldaten anlegt, sich bis auf seine lange Unterhose auszieht und letztlich von der Berliner Polizei mitgenommen wird.
Die Fotos über die Berliner Mauer mögen die Erinnerung an die Teilung Deutschlands wach halten, vielen Menschen als Erinnerung dienen und den nachwachsenden Generationen einen kleinen Eindruck verschaffen, was die Berliner Mauer für die Stadt, für das Leben und für die Menschen bedeutete.
Matthias Hoffmann, 1968 in Berlin (West) geboren, befasst sich während seines Studiums der Politikwissenschaften von 1987 bis 1992 am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin schwerpunktmäßig mit dem deutsch-deutschen Verhältnis und dem deutsch-deutschen Jugendtourismus. Die politische Wende in der DDR verfolgt er während eines Auslandsstudiums an der University of York 1989/1990 aus britischer Sicht. Die Tage nach dem Mauerfall am 9. November 1989 und die Öffnung des Brandenburger Tores am 22. Dezember 1989 erlebt er in Berlin.